Kommentar · „Wir schaffen das!“

Bednarz und die Schaffens-Frage

01.09.2016

Von Thomas de Marco

Hendrik Bednarz

Hendrik Bednarz

Gestern ist es ein Jahr her gewesen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage die Maxime „Wir schaffen das!“ postuliert hat. Wer das zu schaffen hatte, war allerdings schnell klar: die Kommunen, die vor Ort die Flüchtlinge aufnehmen, Unterkünfte bereitstellen, Betreuungsstrukturen aufbauen und Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen müssen. Einer, der deshalb am ehesten auf die seither viel diskutierte Schaffens-Frage antworten kann, ist Hendrik Bednarz, der Leiter des Verkehrs- und Ordnungsamts des Landkreises Reutlingen. Bei ihm ist die Einschätzung zudem so etwas wie ein Vermächtnis – denn der 37-Jährige wird wie berichtet Mitte September Finanzbürgermeister in Rottenburg.

„Es ist einfach zu sagen, ‚wir schaffen das‘, wenn zunächst gar nicht geklärt war, wer ‚wir‘ eigentlich ist“, sagt Bednarz, von 2003 bis 2006 Landesvorsitzender der Jusos. Vor diesem Hintergrund hätten jedenfalls alle Kommunen landauf, landab einen hervorragenden Job gemacht und diesen Kraftakt fürs erste gemeistert. Dabei seien immer pragmatische Lösungen gefunden worden, als noch gar nicht klar war, wo das Geld und die Strukturen herkämen.

Mit Eigenlob hält sich Bednarz, der das Ordnungsamt des Landkreises vier Jahre lang geleitet hat, etwas zurück: „Auch wir haben das ganz gut hinbekommen“, erklärt er eher bescheiden. Wie gut, wird deutlich, wenn er ins Detail geht: „Wir haben versucht, für jede Unterkunft ein passgenaues Konzept zu erarbeiten und das auch zu kommunizieren. Das war mehr, als den Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben: Wichtig war, sie gut zu betreuen und Ansprechpartner für die Anwohner zu sein.“

Von Anfang an wurden deshalb Mitarbeiterkreise gegründet und enge Kooperationen mit Kirchen, Liga der Freien Wohlfahrtspflege sowie Städten und Gemeinden erarbeitet. „Wir haben einen wahnsinnig wichtigen Job gemacht: Die größte Gruppe der Flüchtlinge kommt aus Syrien, wir haben Menschen in Not geholfen“, sagt Bednarz. So anstrengend diese Aufgabe auch immer gewesen sei – sie habe auch Spaß gemacht. „Wir haben hier ein tolles Team vor Ort und Vorgesetzte, die dahinter stehen, Möglichkeiten eröffnen und aktiv dabeiwaren“, blickt Bednarz zurück.

Ein Ende dieser Herausforderung sei aber noch lange nicht in Sicht: „Wir haben erste große Schritte gemacht, sind aber erst am Anfang eines langen Weges. Die Aufgaben verschieben sich inhaltlich weg von Unterbringung und Deutschkursen hin zu Wohnraum schaffen und Arbeit vermitteln.“ Die Vielschichtigkeit dieser Herausforderungen müssten im Kopf behalten werden.

Auch an seiner neuen Wirkungsstätte in Rottenburg werden ihn diese Themen begleiten – allerdings nimmt er nun einen Perspektivwechsel vor: Beim Landratsamt war Bednarz für die Erstaufnahme zuständig, künftig gehören die Anschlussunterbringung und die Integration der Flüchtlinge in den Regelbetrieb zu seinen Aufgaben. „Darauf freue ich mich!“ Beim Landratsamt lassen sie ihren Ordnungsamtsleiter indes nur ungern ziehen. „Er war für uns ein Glücksfall. Aber uns war von vornherein klar, dass er dem Landkreis nicht auf Dauer erhalten bleibt“, sagt Ordnungsdezernent Claudius Müller.

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Erstellt:
01.09.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 29sec
zuletzt aktualisiert: 01.09.2016, 01:00 Uhr

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