Ein Coach der alten Schule

Basketball-Trainer Tyron McCoy über Lehrmeister, Hilfsbereitschaft und Facebook

Mit seinen 43 Jahren zählt Tyron McCoy zu den jüngeren Trainern der Basketball-Bundesliga – und ist doch ein Coach der alten Schule. „Im Basketball brauchst du fünf Jungs, die zusammenhalten müssen, das ist nicht wie Tennis oder Golf“, sagt der neue Tigers-Coach bei seinem Besuch in der TAGBLATT-Redaktion.

29.01.2016

Von Hansjörg Lösel

Tigers-Trainer Tyron McCoy sagt: „Ich bin keiner für die Show“.Bild: Ulmer

Tigers-Trainer Tyron McCoy sagt: „Ich bin keiner für die Show“.Bild: Ulmer

Tübingen. An seinen ersten Auftritt in Tübingen erinnert sich Tyron McCoy noch genau. „Diese Halle hatte einen seltsam grünen Boden, es wurde ein richtiger Kampf.“ März 2001, McCoy war mit den Frankfurtern im Pokal-Viertelfinale zu Gast in der Uhlandhalle beim SV 03, damals noch Zweitligist. „Unser Trainer Stefan Koch warnte uns vorher eindringlich, denn Tübingen hatte vorher Berlin geschlagen“, sagt McCoy. Den Frankfurtern blieb das Aus erspart, beim 72:65 verbreiteten sie aber wenig Glanz. Stefan Koch hat ohnehin eine besondere Bedeutung für Tyron McCoy. Er holte den US-Amerikaner 1998 nach Lich, später machte er ihn zu seinem Assistenten bei den Artland Dragons. „Wir haben eine Freundschaft entwickelt“, sagt McCoy. Die auch keinen Schaden genommen hat.

Was würde der Trainer McCoy über den Spieler McCoy sagen? „Ich war nicht der beste Athlet, ich war nicht der beste Werfer, und ich konnte am Anfang meiner Karriere überhaupt nicht dribbeln – aber ich habe es gehasst zu verlieren.“ Ein bisschen was drauf hatte der 1,94 Meter große McCoy, der als Jugendlicher zunächst Wide Receiver beim American Football war, dann aber wohl doch auch als Basketballer: Immerhin stand er vier Mal in der Allstar-Auswahl der Bundesliga, verbuchte in seiner Karriere sogar die meisten Ballgewinne in der Geschichte der Liga.

In Oldenburg verbrachte er sechs Jahre, dort hängt McCoys Trikot unterm Hallendach, die Nummer 14 wird dort nicht mehr vergeben – doch seine letzte Station als Spieler in Leverkusen habe ihn möglicherweise am meisten geprägt, sagt McCoy. In der Saison 2007/2008 wechselte er zu Bayer, spielte unter Trainer Achim Kuczmann mit Routiniers wie Nate Fox oder Eric Taylor zusammen. „In dieser Mannschaft war ich mit meinen 35 Jahren noch einer der athletischsten Spieler“, sagt McCoy und lacht. „Wir hatten in Oldenburg Mannschaften, die ganz sicher mehr Talent hatten als dieses Team in Leverkusen. Aber dort wussten wir genau, was zu tun war, jeder kannte seine Rolle.“

Das sei möglicherweise ein Unterschied zum heutigen Basketball: Viele aktuelle Spieler seien zwar athletisch auf einem ganz anderen Level, offenbaren aber Defizite beim Spielverständnis. „Jemand muss die Drecksarbeit machen“, sagt McCoy, „im Basketball brauchst du fünf Jungs, die zusammenhalten, das ist nicht wie Tennis oder Golf.“ Das eigene Ego zurückstellen, dem Kollegen helfen, gerade in der Abwehr – das ist McCoys Vorstellung von Teambasketball. Ein zentrales Thema dabei ist Hilfsbereitschaft. „Das haben die Jungs gegen Ludwigsburg exzellent gemacht, sie haben sich gegenseitig unterstützt“, sagt der neue Tigers-Trainer.

McCoy spricht leise, konzentriert, und wenn er einen Witz reißt wie eben über seine nicht vorhandenen Dribbelkünste, bleibt seine Stimme unverändert. Nur seine Augen funkeln dann, und die vielen kleinen Fältchen verraten, dass da einer gerne lacht.

Es sagt etwas über einen Menschen aus, wenn sich frühere Weggefährten gerne an ihn erinnern. Nicht nur Tigers-Manager Robert Wintermantel hat McCoy aus gemeinsamen Zeiten in Frankfurt in Erinnerung behalten, auch Rick Stafford holte seinen früheren Mitspieler 2008 als Co-Trainer nach Ludwigsburg. McCoy telefoniert auch regelmäßig mit Tolga Öngören – unter dem einstigen Tigers-Coach, heute Sportdirektor beim türkischen Erstligisten Tofas Bursa, war er 2009 Assistenz-Trainer in Ludwigsburg. „Ich habe von vielen etwas mitgenommen, man kann aus erfolgreichen und weniger erfolgreichen Situationen lernen.“

20 Jahre als Profi, zunächst auf Malta, dann in Österreich, seit 1998 als Spieler, Co-Trainer, Chefcoach in der Bundesliga. Wer aber glaubt, McCoy habe deshalb einen Tunnelblick entwickelt, der irrt. Am Virginia Commonwealth Institute spielte er nicht nur Basketball, dort studierte er auch Criminal Justice. Ein Job etwa im Strafvollzug war denkbar, auch die Arbeit mit Jugendlichen hätte ihn interessiert. Dass ihn der Trainerjob reizen könnte, entdeckte er noch in Oldenburg: Unter Coach Don Beck beschäftigte er sich intensiver mit Video-Analyse. Nach seiner aktiven Karriere war der Weg zum Coach aber keineswegs vorgezeichnet – bis die erwähnte Anfrage von Stafford aus Ludwigsburg kam. Bei den Artland Dragons übernahm McCoy 2013 seinen ersten Chef-Posten, ausgerechnet als Nachfolger von Stefan Koch. Auf Anhieb schaffte er den Einzug ins Playoff-Halbfinale, doch nur ein Jahr später erlebte er die größte Enttäuschung seiner Karriere: Der Hauptsponsor stieg aus, das Team wurde zurück gezogen. „Es war schlimm, vor allem für die Leute, die in der Organisation gearbeitet haben – die Spieler finden einen neuen Job“, sagt McCoy.

Der Beruf des Profisportlers ist kein gewöhnlicher, schon gar kein ruhiger. „Wir werden jede Woche getestet und kritisiert – wer damit ein Problem hat, gehört nicht dahin“, sagt McCoy. Am Ende wird gerade ein Trainer ausschließlich an Resultaten gemessen, da macht er sich nichts vor. „Wenn du Erfolg hast, machst du alles richtig – dann kannst du ein stiller Typ sein, und alle loben dich dafür. Aber sobald du verlierst, heißt es plötzlich, der war ja auch viel zu ruhig.“ In seinem Stil lässt sich McCoy deshalb nicht beirren. „Ich bin keiner für die Show, ich springe nicht an der Seitenlinie auf und ab – so bin ich einfach nicht.“

Ruhe, Gelassenheit, Siegesgewissheit will er den Spielern vermitteln. Mit Erfolg: Gegen Ludwigsburg und in Bremerhaven drehten die Tigers die Partie jeweils noch, verfielen auch bei Rückständen nicht in Panik. Bei aller Ruhe, die er nach außen vermittelt – hinter der Fassade sieht es anders aus. Noch immer sei er vor jedem Spiel nervös, gesteht McCoy. „Eine gewisse Anspannung muss auch sein“, sagt er – noch schwerer fällt ihm das Abschalten nach dem Spiel. Ob Sieg oder Niederlage, an Schlaf ist meist nicht zu denken. „Meine Frau kennt das schon, oft schaue ich mir noch in der Nacht das Video vom Spiel an.“ Wer ihn allerdings dann in sozialen Netzwerken sucht, ist auf dem Holzweg. Er sei nur alle paar Wochen mal auf Facebook, sagt McCoy. Denn: „Das größte Verbrechen unserer Generation ist Social Media.“ Da kommt wieder die alte Schule durch: „Wir haben früher im Bus bei Auswärtsfahrten Karten gespielt, heute sitzt jeder für sich da mit dem Handy in der Hand.“

Mit 34 Punkten war Tyron McCoy am 24. Februar 2002 Oldenburger Matchwinner beim Gastspiel in der Tübinger Uhlandhalle. Archivbild: Franke

Mit 34 Punkten war Tyron McCoy am 24. Februar 2002 Oldenburger Matchwinner beim Gastspiel in der Tübinger Uhlandhalle. Archivbild: Franke

McCoys Dream Team: Diese Kollegen machten Eindruck

Seit 1998 ist Tyron McCoy in der Basketball-Bundesliga, bei der Frage nach seinen besten Mit- und Gegenspielern muss er deshalb eine Weile nachdenken. Außer bei der Position des Power Forward: Marcus Goree, mit dem er in Frankfurt spielte, nennt er spontan. Der beste Center war der Ex-Oldenburger D‘Or Fischer, „unglaublich talentiert, aber crazy“. Ziemlich genau das Gegenteil ist Terry Black, den McCoy als besten Small Forward nennt: Nicht unbedingt mit großem Talent gesegnet, „aber ein toller Teamkollege“. Noch einen Ex-Oldenburger wählt McCoy als Guard: Terel Castle, „er war später der erste schwarze Bosnier.“ Genossen hat er später im Artland die Künste von Tyrese Rice. „Dem konntest du am Ende eines Spiels einfach den Ball geben, er hat’s alleine gerichtet.“ Und wer hat McCoy als Spieler mal richtig abgezockt? Jarvis Walker aus Ulm fällt ihm da ein, „der war nicht zu stoppen“.

Zum Artikel

Erstellt:
29.01.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 54sec
zuletzt aktualisiert: 29.01.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport