Das Schloss in der Burg

Ausstellung auf dem Zollernberg zum Wiederaufbau der Berliner Residenz

Mindestens zwei Mössinger haben sich einen Fassadenstein gesichert. Wer symbolisch ein Stück des Berliner Schlosses kaufen möchte, ist mit 50 Euro dabei. Eine Sonderausstellung in der Burg Hohenzollern widmet sich der Geschichte des Berliner Schlosses und seinem derzeitigen Wiederaufbau.

28.05.2016

Von Susanne Wiedmann

Den Blick auf die Zukunft gerichtet (von links): Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen, Wilhelm von Boddien, Hans-Dieter Hegner und Johannes Wien hinter dem Modell des neuen Berliner Schlosses, das im Torturm der Burg Hohenzollern ausgestellt ist. Bild: Franke

Den Blick auf die Zukunft gerichtet (von links): Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen, Wilhelm von Boddien, Hans-Dieter Hegner und Johannes Wien hinter dem Modell des neuen Berliner Schlosses, das im Torturm der Burg Hohenzollern ausgestellt ist. Bild: Franke

Bisingen. Nicht weniger als 60 Millionen Euro an Privatspenden sind zusammengetragen. Noch fehlen 45 Millionen. Aber Wilhelm von Boddien ist zuversichtlich. „Es ist das erste Schloss, das freiwillig vom Volk bezahlt wurde“, erfreut er sich an seinem neuen Slogan. Seit einem Vierteljahrhundert kämpft von Boddien dafür, dass das Berliner Stadtschloss wieder aufgebaut wird. Ein Kampf gegen Windmühlen oder wie von Boddien sagt: „Ein Ritt auf der Rasierklinge.“ Gegen wie viele Widerstände er antreten musste! Er ließ sich nicht beirren. Bereits 1992 gründete von Boddien den Förderverein Berliner Schloss, dessen Geschäftsführer er mittlerweile ist. Sein Ziel: 105 Millionen Euro an Privatspenden zu sammeln, um die barocken Schlossfassaden zu „99,99 Prozent“ originalgetreu rekonstruieren zu lassen.

Nun sitzt er im Kaiserzimmer der Burg Hohenzollern, trägt das Schloss an seinem Herzen – als goldene Anstecknadel am Revers. Zu fünft waren die Herren in das fürstliche Gemach geschritten. Neben von Boddien der Hausherr Georg Friedrich Prinz von Preußen, noch dazu Johannes Wien und Hans-Dieter Hegner vom Vorstand der Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss und Karl-Klaus Dittel aus Stuttgart vom baden-württembergischen Freundeskreis von Schlossförderern.

Am Abend werden sie die Ausstellung zum Berliner Schloss auf der Burg Hohenzollern eröffnen. „Für mich und meine Familie ist das ein spannender Tag“, sagt der Chef des Hauses Hohenzollern. Während die Burg der erste historisch bekannte Ort sei, der in Zusammenhang mit seiner Familie stehe, sei das Berliner Stadtschloss das aktuellste Bauprojekt.

Vom 15. bis 20. Jahrhundert residierten dort die brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und deutschen Kaiser. Als das Schloss um 1700 zur Königsresidenz ausgebaut wurde, zierte es die größte Barockfassade nördlich der Alpen. „Ich bin sehr froh und stolz, dass das Schloss wieder aufgebaut wird, weil es in die historische Mitte Berlins passt“, betont von Preußen. Und noch viel mehr: „Berlin ist das Schloss.“ Immerhin war es der älteste Profanbau. Wie Jahresringe entwickelte sich die Stadt ringsum. Mit Straßenzügen und Blickachsen auf das Schloss gerichtet.

Die Geschichte des Schlosses wird in der Ausstellung, im ersten Geschoss des Torturms, mit kurzen, informativen Texten dokumentiert. „In 20 Minuten ist man durch“, verspricht Kurator Wilhelm von Boddien. Er meint, wer auf die Burg hinaufsteigt, möchte vornehmlich Ritterrüstungen sehen. Seine Mission: Die Besucher neugierig machen, aber nicht zu lange aufhalten.

Es war die Idee des Hausherrn, die Wanderausstellung, die ständig aktualisiert werde, auf dem Zollernberg zu zeigen. Und nur hier ist sie auch bestückt mit persönlichen Exponaten der Familie aus dem Berliner Schloss. Eine Tanzkarte vom 11. Februar 1914, als ein Hofball angesagt war. Eine Einladung zur Familientafel anlässlich der Hochzeit des Prinzen August. „Auf Allerhöchsten Befehl Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten“ beehrte sich Ober-, Hof- und Hausmarschall am 21. Oktober 1908 um halb sieben ins Stadtschloss einzuladen. Da und dort das Schloss als Briefkopf.

Noch dazu die Platte eines Vermeil-Services, ein Geschenk der preußischen Städte zur Hochzeit des späteren Kaisers Wilhelm II. Nur bei Hochzeiten wurde sie benutzt. Zuletzt am 23. Mai 1913, als sich die Tochter des Kaisers, Prinzessin Victoria Luise, vermählte. Zudem ein Teller aus dem Service Wilhelms II. mit einem Adler in Orange, das nach wie vor bei festlichen Anlässen im Haus Hohenzollern verwendet wird. Und eine Ballspende vom Neujahrstag 1895, eine Schokoladentafel als Geschenk an die Damen. Meist bestanden die Ballspenden aus Süßigkeiten, verziert mit Porträts (Bild links unten).

Trotz der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg blieben die tragenden Mauern des Schlosses stehen. Die SED veranlasste 1950 jedoch, das historische Gebäude zu sprengen. 2019, dreißig Jahre nach dem Berliner Mauerfall, wird das neue Schloss an alter Stätte voraussichtlich fertig sein. Es wird das Humboldt-Forum beherbergen mit Kultur und Kunst aus Asien, Afrika, Amerika, Australien und Ozeanien. Dem Schloss als Ort für Wissenschaften, Weltkulturen, Politik widmet sich der zweite Teil der Ausstellung. „Wir bauen ein modernes Museum und Veranstaltungsgebäude. Sogar mehr Veranstaltung als Museum“, erklärt Johannes Wien. „Hier kann man auch einen G8-Gipfel machen“, wirft von Boddien begeistert ein. Hans-Dieter Hegner spricht vom modernsten Kulturhaus Europas. Und als technischer Vorstand rühmt er „die transparenteste Baustelle, die Deutschland aufbieten kann“ – zudem liege man im Zeit- und Kostenplan.

Das Schloss wächst heran. „Die Menschen fassen jetzt Vertrauen“, sagt Wien. Das bestätigt auch Prof. Karl-Klaus Dittel. Er war Chefarzt der Unfallchirurgie im Stuttgarter Marienhospital. Es treibt ihn zeitlebens die Freude am Rekonstruieren an, zunächst in der Chirurgie, nun eben in der Architektur. Und noch etwas verbindet ihn mit dem Berliner Schloss. Sein Großvater arbeitete dort drei Jahre als Koch. Dennoch hatte er es sich einfacher vorgestellt, in Schwaben als Spendenakquisiteur unterwegs zu sein. Trotz seiner „guten Beziehungen“ hatte er Absagen einstecken müssen. „Aber in den letzten Monaten hat es sich geändert. Jetzt wird das Schloss begreifbar.“ Auch im Steinlachtal haben sich Spender aufgetan. Einige wollen anonym bleiben, bei anderen zeigt das Internet an, welche Fassadensteine sie symbolisch gekauft haben.

Unter dem Dach des Torturms der Burg lässt ein Film in die Schlossbauhütte blicken, wo Kunsthandwerker die Schmuckelemente der neuen Fassade herstellen. Zudem werden die Besucher mitgenommen zu einer animierten Besichtigungstour durch das fertige Schloss.

Im nächsten Jahr sind es 150 Jahre, seit die Burg Hohenzollern wieder aufgebaut wurde. „Am 3. Oktober 1867 war alles nagelneu“, sagt Georg Friedrich Prinz von Preußen. Er sieht darin eine Parallele zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses. „Damals konnte sich niemand vorstellen, dass die Burg ein historisches Monument werden wird. Heute ist sie anerkanntes deutsches Kulturgut.“

Tanzkarte von 1914 aus dem Berliner Schloss: Die Tanzpartner der Dame konnten sich dort mit Bleistift eintragen.Bilder: Freese

Tanzkarte von 1914 aus dem Berliner Schloss: Die Tanzpartner der Dame konnten sich dort mit Bleistift eintragen.Bilder: Freese

Ausstellung auf dem Zollernberg zum Wiederaufbau der Berliner Residenz

Fakten zu Schloss und Burg

Die Ausstellung ist bis zum 11. September täglich von 10 bis 17.30 Uhr im Torturm der Burg Hohenzollern zu sehen.

2002 beschloss der Bundestag den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldt-Forum. Rekonstruiert werden drei der vier Außenfassaden (die Spreefassade wird nach dem Entwurf des Architekten Franco Stella neu gebaut), Kuppel und drei barocke Fassaden des Schlüterhofs. Die Innenräume werden modern gestaltet. Bauherr und Eigentümer des Schlosses ist die Stiftung Humboldt-Forum. Insgesamt entstehen geschätzte Kosten von 552 Millionen Euro. Mehrheitlich werden sie vom Bund, ein kleiner Teil wird vom Land Berlin getragen. 105 Millionen für die historischen Fassaden müssen durch Spenden zusammenkommen.

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Erstellt:
28.05.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 13sec
zuletzt aktualisiert: 28.05.2016, 01:00 Uhr

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