Interview

Aufs richtige Pferd gesetzt

ElringKlinger ist einer der größten Automobilzulieferer weltweit. Wie geht man hier mit dem Branchenwandel um? Ein Besuch in Dettingen/Erms.

13.10.2017

Von TEXT: Kathrin Kammerer|FOTOS: Moritz Hagemann, Unternehmen

Aufs richtige Pferd gesetzt

Am Hauptsitz in Dettingen/Erms baut der Automobilzulieferer ElringKlinger gerade ein weiteres Gebäude. Ein Forschungs- und Entwicklungslabor für Elektromobilität soll hier entstehen.

In der Öffentlichkeit wird der Konzern oft noch als einer der „alten Player“ in der sich aktuell neu formierenden Auto-Branche wahrgenommen. Was nicht richtig ist, wie sich im Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Stefan Wolf zeigt. Denn auch bei ElringKlinger wird schon seit vielen Jahren im Bereich der Elektromobilität geforscht. Für verschiedene aktuelle Elektroautos produziert das Unternehmen bereits seit einigen Jahren in Serie.

Herr Wolf, wie hat sich der
Dieselskandal auf Ihren Umsatz ausgewirkt?

Stefan Wolf: Die Nachfrage hat sich verschoben, es werden merklich weniger Diesel-Fahrzeuge verkauft. Da wir aber im Dichtungsbereich einen so hohen Marktanteil haben und man Dichtungen für Diesel wie auch für Benziner benötigt, halten sich die finanziellen Auswirkungen aktuell in Grenzen.

Ist der Ausstieg aus dem
Diesel bis 2030 machbar?

Ich halte das für völlig unrealistisch. Natürlich wird der Verbrennungsmotor zurückgehen und diese Dynamik ist schneller, als wir das noch vor drei Jahren erwartet haben. Aber ein Datum dafür festzusetzen, ist in meinen Augen völliger Schwachsinn.

Ist der Diesel also gar nicht so schlecht, wie alle sagen?

Wegen dieser ganzen Skandale und Debatten erleben wir gerade eine Verunsicherung bei den Käufern und einen großen Wechsel vom Diesel hin zum Benziner. Der Benziner hat aber einen deutlich höheren CO2-Ausstoß als der Diesel. Das heißt, wir gehen in die völlig falsche Richtung.

Was wäre die richtige Richtung?

Wenn die Leute erkennen würden, dass ein Diesel in der Euro-6-Version heute einer der saubersten Motoren ist, die es überhaupt gibt. Dennoch muss man in den kommenden Jahren verstärkt daran arbeiten, alternative Antriebskonzepte auf den Markt zu bringen...

Also ist ein Wechsel hin zur
E-Mobilität trotz aller Vorteile
des Diesels unumgänglich?

Elektro-Mobilität macht nur dann wirklich Sinn, wenn die Fahrzeuge auch komplett mit regenerativer Energie betrieben werden. Was man in den Diskussionen oft ausblendet, ist die Gesamtenergiebilanz. Wenn der Strom für die E-Mobile noch aus Kohlekraftwerken kommt, haben wir unter CO2-Gesichtspunkten überhaupt gar nichts gewonnen.

Aus dem Kohlekraftwerk kommt viel nämlich viel mehr CO2 als aus einem sauberen Euro-6-Diesel. Natürlich gibt es dann auch noch die Feinstoff-Problematik, aber die bekommt man ganz gut über die Harnstoff-Einspritzung geregelt.

Seit wann setzt ElringKlinger
auf Elektro-Mobilität?

Wir haben schon vor 15 Jahren mit unserem Brennstoffzellen-Projekt angefangen. Damals hat noch kaum ein Fahrzeughersteller überhaupt daran gedacht. Seit acht Jahren sind wir im Bereich Batterietechnologie tätig.

Wie lief das Geschäft mit der
E-Mobilität in Deutschland an?

Schlecht. Im Bereich der Brennstoffzellen und der Batterietechnologie haben wir zwar in den letzten 15 Jahren einiges investiert aber noch nichts verdient. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren in eine gute Gewinnzone kommen werden.

Wie wirkt sich die E-Mobilitäts-Sparte auf den Umsatz aus?

Wir machen auch heute noch 90 Prozent des Umsatzes mit Teilen für den Verbrennungsmotor. Hierzu zählen jedoch auch Kunststoff-Leichtbauteile oder Abschirmsysteme, die auch in einem Hybrid-, Batterie- oder Brennstoffzellenauto Anwendung finden.

Der Bereich E-Mobilität macht etwa zwei Prozent aus in diesem Jahr. Mittelfristig gehe ich davon aus, dass wir 25 Prozent des Umsatzes mit E-Mobilität machen können.

Bricht Ihnen durch den Wegfall des Verbrennungsmotors nicht
eine ganze Produktsparte weg?

Das einzige Produkt aus unserem Portfolio, das komplett wegfällt, wenn wir keine Verbrennungsmotoren mehr haben, ist die Zylinderkopfdichtung. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir auch in 50 bis 70 Jahren noch Verbrennungsmotoren haben werden. Wir gehen davon aus, dass die Spitze in der Herstellung weltweit erst 2020/21 erreicht wird: Mit ungefähr 92 Millionen Motoren.

Diese Zahl wird dann sinken, jedoch nicht schlagartig. Es gibt also immer noch genügend Verbrennungsmotoren, in die man unsere Teile einbauen kann.

Wie muss ElringKlinger in dieser Zeit des Umbruchs also agieren?

Wir müssen Produkte entwickeln, die uns das ersetzen können, was durch den Rückgang des Verbrennungsmotors zwangsläufig wegbricht.

Wird das ein guter Wandel für Sie?

Wir werden stärker wachsen. Alles was im Bereich E-Mobilität verkauft wird, ist pro Stückzahl deutlich teurer, als ein Bauteil für den Verbrennungsmotor, wie beispielsweise eine Zylinderkopfdichtung.

Gehen durch den Wandel zwangsläufig Arbeitsplätze
verloren?

Der Großteil unserer Arbeitsplätze hängt ganz klar noch immer vom Verbrennungsmotor ab. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass in der Produktion definitiv Stellen verloren gehen. Es entstehen dafür andere – beispielsweise im Forschungs- und Entwicklungsbereich.

Wir stehen vor einem enormen Transformationsprozess und müssen auch überlegen, wie wir das sozialverträglich hinbekommen. Die Mitarbeiter müssen flexibel bleiben und auch immer stärker dazu bereit sein, sich umschulen zu lassen.

Wie reagiert man in der Branche auf die anstehende Veränderung?

Auf diesen Wandel ist unsere Industrie teilweise nicht eingestellt. Es ist dabei auch nicht unbedingt hilfreich, wenn von verschiedenen Seiten gefordert wird, eine Zellfertigung in Deutschland aufzubauen. Was man aktuell von dieser Technologie benötigt, ist komplett vom asiatischen Markt abgedeckt. Es wäre also kompletter Irrsinn, so etwas bei uns aufzubauen.

Es ist außerdem illusorisch zu glauben, dass man durch den Aufbau einer solchen Fertigung die Arbeitsplätze halten kann, die in der Mechanik vielleicht verloren gehen werden. Eine Zellfertigung ist hochautomatisiert.

Wie wird die Mobilität der
Zukunft aussehen?

Es wird unterschiedliche Konzepte für unterschiedliche Situationen geben. Schauen Sie sich zum Beispiel große Städte wie New York oder Tokio an: Da eignet sich ein Fahrzeug mit Batterietechnologie hervorragend, denn da kann man auch eine gute Lade-Infrastruktur schaffen.

Aber so ein Batterie-Konzept hier oben auf der Schwäbischen Alb, zwischen Ulm und Dettingen/Erms zu realisieren – das ist einfach schwierig. Da wird man sich in Zukunft dann eben einen Dieselmotor mit einem geringen CO2-Ausstoß, ein Brennstoffzellensystem oder einen Hybrid holen. Und auch in mehreren Jahren wird es das noch alles geben. Inklusive des Verbrennungsmotors, davon bin ich überzeugt.

Wie ist die Rolle der Politik
in diesem Wandel?

Die Politik ist sehr gefordert. Zunächst benötigen wir bezahlbare Energie. Die Energiewende ist ein totaler Flop, der zu viel Geld kostet. Was wir brauchen, ist eine entsprechende Infrastruktur für die E-Mobile. Wenn die Bundesregierung beschließt, 10 000 Ladesäulen an den Autobahnen aufzustellen, ist das schön und gut. Aber das reicht vorne und hinten nicht – ich will ja auch mal nach Frankreich oder nach Italien fahren.

Noch mehr?

Es müssen Gelder gebündelt werden und man sollte sie nicht möglichst breit als Subvention ausschütten. Und man darf sich natürlich nicht am grünen Tisch einfach irgendwelche CO2-Grenzwerte ausdenken, die sowieso nicht eingehalten werden können. Die 95 Gramm bis 2020 sind ohne den Diesel illusorisch und nicht machbar.

ElringKlinger bietet Auto-mobil-Erstausrüstern neben verschiedenen Komponenten auch komplette Brennstoff-zellen-Stacks an (oben li.).

ElringKlinger bietet Auto- mobil-Erstausrüstern neben verschiedenen Komponenten auch komplette Brennstoff- zellen-Stacks an (oben li.).

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Erstellt:
13.10.2017, 08:30 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 21sec
zuletzt aktualisiert: 13.10.2017, 08:30 Uhr

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