In der Nase fühlen sie sich wohl

Auf einer Tübinger Konferenz ging es um gefährliche Krankenhauskeime

Sie sitzen in jeder dritten Nase, und sie sind gefährlich: Bakterien der Art Staphylokokkus aureus. In Tübingen beschäftigte sich jetzt ein großer Kongress mit den Bakterien, die als Krankenhauskeime für zahlreiche Todesfälle verantwortlich sind.

22.09.2016

Von Ulrich Janssen

Das Wohnzimmer von Staphylokokkus aureus. Bild: Janßen

Das Wohnzimmer von Staphylokokkus aureus. Bild: Janßen

Tübingen. Dass über 300 Wissenschaftler wegen einer einzigen Bakteriengattung nach Tübingen kamen, zeigt nicht nur, dass weltweit das Bewusstsein für die Gefahren durch Krankenhauskeime zugenommen hat. Es zeigt auch, dass die Tübinger Mikrobiologen mittlerweile über internationales Renommee verfügen. „Zu uns kamen“, freute sich Prof. Andreas Peschel vom Tübinger Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin, „führende Experten aus aller Welt und auch etliche Vertreter von Pharmafirmen.“

Peschels Institut  gehört seit 2010 zum Forschungsnetzwerk des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung und hatte zu der Konferenz eingeladen. Schwerpunktthema dabei war der berüchtigte Krankenhauskeim „Staphylokokkus aureus“, der in Tübingen seit langem intensiv erforscht wird.

Die Tübinger Forscher um Andreas Peschel und Bernhard Krismer hatten vor kurzem in „Nature“ eine Methode vorgestellt, wie die gefährlichen Keime mithilfe einer anderen Bakterienart angegriffen werden könnten. Das Problem der Forscher ist, dass sich für ihre Entdeckungen bislang kaum Pharmafirmen interessieren, weshalb die Substanzen nicht auf den Markt kommen. „Antibiotika“, sagt Peschel, „sind für die großen Unternehmen nicht besonders interessant, weil man sie nur ein paar Tage geben muss und dann ist der Fall erledigt.“ Aus Sicht der Industrie sind chronische Krankheiten attraktiver: Sie bringen mehr Geld in die Kasse, weil sie dauerhaft mit Medikamenten behandelt werden müssen.

Auf der Konferenz registrierten Peschel und seine Kollegen immerhin wohlwollendes Interesse der Industrie für die neuartigen „Dekolonisierungssubstanzen“, mit denen die Wissenschaftler die Staphylokokken aus ihren Wohnorten in der menschlichen Nase vertreiben wollen.  „Die Pharmafirmen bleiben vorsichtig, reden aber zumindest mit uns“, konstatierte Peschel.

Das Bakterium Staphylokokkus aureus, auch unter der Abkürzung MRSA bekannt,  ist für gesunde Menschen normalerweise ungefährlich, bei immungeschwächten Patienten kann es aber lebensgefährliche Erkrankungen wie Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen auslösen. Vor allem in Krankenhäusern kann das dramatische Folgen haben. Weil MRSA gegen immer mehr Antibiotika resistent geworden ist, wird man die Keime kaum noch los. „In südeuropäischen Krankenhäusern“, meint Peschel, „möchte man schon jetzt nicht gerne eine komplizierte Operation machen lassen.“ Es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland ähnliche Zustände herrschten.

Wie die Bakterien sich auf der Nasenschleimhaut ausbreiten und wie man sie speziell bei Risikopatienten wieder vertreiben kann („dekolonisieren“ nennt Peschel das), war ein entsprechend wichtiges Thema auf der Konferenz. Eine ganze Session war neuartigen Antibiotika gewidmet, mit denen MRSA, aber auch andere Keime bekämpft werden können. Doch wurde nicht nur über  Antibiotika diskutiert. Die Frage war auch, ob und wie man Risikopatienten mit einer Impfung gegen die gefährlichen Bakterien immunisieren kann.

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Erstellt:
22.09.2016, 21:57 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 14sec
zuletzt aktualisiert: 22.09.2016, 21:57 Uhr

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