Schlag auf Schlag · Vier Filmfestivals in zwei Monaten

Arabisch, französisch, weiblich, spanisch · für Kinokunst-Fans wird bis zum Advent gut gesorgt

Mit dem Herbst naht auch die Saison der Tübinger Filmfestivals. Vier Stück davon gibt es in schneller Folge zwischen Oktober und Dezember. Den Auftakt macht das Arabische Filmfest.

16.09.2016

Von Klaus-Peter Eichele

„Ein Lied für Nour“ erzählt die Geschichte eines Mannes aus dem Gaza-Streifen, der unbedingt an der größten arabischen Casting-Show teilnehmen will.Agenturbild

„Ein Lied für Nour“ erzählt die Geschichte eines Mannes aus dem Gaza-Streifen, der unbedingt an der größten arabischen Casting-Show teilnehmen will.Agenturbild

Tübingen. Drei Wochen vor dem Start kann Adwan Taleb, der Leiter des Arabischen Filmfestivals, etwas durchschnaufen, denn das Filmpaket ist fertig geschnürt. Nun geht es noch an den Endschliff, speziell die Bestückung der Gästeliste. An die 80 lange und kurze Filme aus dem arabischen Raum und angrenzenden Gebieten werden vom 7. bis zum 15. Oktober gezeigt; die meisten davon wie schon im Vorjahr in den Hörsälen des Kupferbaus. Mit dem außergewöhnlichen Spielort will Taleb die Verbundenheit des Festivals mit der Universität akzentuieren; schließlich sei der Verein arabischer Studenten und Akademiker, der die Filmwoche veranstaltet, dort verwurzelt. In diesem Jahr gibt es zudem eine Kooperation mit der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient, die parallel einen wissenschaftlichen Kongress in Tübingen abhält.

Eröffnet wird das Arabische Filmfest am 7. Oktober mit dem palästinensischen Film „Ein Lied für Nour“. Er handelt von einem jungen Mann aus dem abgeriegelten Gaza-Streifen, der unbedingt als Sänger an der größten arabischen Casting-Show in Kairo teilnehmen will. „Die Geschichte erinnert ein bisschen an uns“, schmunzelt Taleb. „Auch wir haben nie die Hoffnung aufgegeben und gegen viele Widerstände das größte arabische Filmfest im deutschsprachigen Raum etabliert“.

Das Filmprogramm deckt nach Talebs Einschätzung das gesamte politische und gesellschaftliche Problemspektrum des arabischen Raums ab: die größtenteils gescheiterten Revolten, das Wüten des Islamischen Staats, den Bürgerkrieg in Syrien – all das aus Sicht der konkret Betroffenen. Denn genau so wichtig wie die Filmkunst ist den Festivalmachern der diskursive Brückenschlag zwischen Westen und Orient. Später im Jahr werden einige der Filme auf Tournee durch Baden-Württemberg geschickt. Das Land hat dieses „Karawane“-Projekt jüngst mit 30000 Euro gefördert.

Auch bei den Französischen Filmtagen, die am 2. November beginnen, biegt man allmählich auf die Zielgerade der Vorbereitungen ein. Die Sichtung der in Frage kommenden Filme ist größtenteils abgeschlossen. Einen Eröffnungsfilm und eine belastbare Gästeliste gibt es allerdings noch nicht. Immerhin haben mit dem Altachtundsechziger Daniel Cohn-Bendit und dem Schweizer Globalisierungskritiker Jean Ziegler zwei Politpromis ihr Kommen zugesagt. Filmstars wird man aber auch in diesem Jahr wohl nur auf der Leinwand sehen: den alten Depardieu in dem Roadmovie „Tour de France“ oder die junge Léa Seydoux in dem Sterbedrama „Juste la fin du monde“. An namhaften Regisseuren sind André Téchiné, Olivier Assayas, Xavier Dolan und Bruno Dumont auf dem Spielplan vertreten. Ein roter Faden bei den neuen Filmen ist laut Festivalleiter Christopher Buchholz das Thema Familie in allen möglichen Patchwork-Varianten.

Ein herausragendes Beispiel sei die „anarchische Komödie“ „Apnée“ über zwei Männer und eine Frau, die heiraten wollen – und zwar zu dritt. Auch die Islam-Debatte in Frankreich wird filmisch aufgegriffen, zum Beispiel mit der hoch umstrittenen Doku „Salafiste“, in der Hassprediger und Gotteskrieger unkommentiert zu Wort kommen. Zu kontroversen Filmen soll es täglich eine Diskussionsrunde im Café Haag geben. Unter Dach und Fach ist auch die Retrospektive, die den in Deutschland noch ziemlich unbekannten Schweizer Filmemacher Lionel Baier, einen Gratwandler zwischen Dokumentation und Fiktion, vorstellt. Beim traditionellen Cinéconcert wird diesmal ein Tonfilm, das britische Science-fiction-Opus „Things To Come“ aus dem Jahr 1936, mit moderner Live-Musik aufgepeppt. Und in den Filmen der Afrika-Sektion wird die jüngere politische Geschichte diverser Länder nördlich und südlich der Sahara aufgearbeitet.

Das Filmfest Frauenwelten von Terre de Femmes gibt vom 23. bis 30. November mit künstlerisch hochwertigen Spielfilmen und Dokumentationen wieder Einblicke in die Lebensumstände von Frauen rund um die Welt. Thematische Schwerpunkte sind Zwangsverheiratungen, Migration und die prekäre Situation von Arbeiterinnen in der Dritten Welt. Komplettiert wird der Tübinger Filmfestival-Herbst vom Festival de Cine Español (1. bis 7. Dezember).

Info: Gemeinden, die von der „Karawane“ des Arabischen Filmfests aufgesucht werden möchten, können unter info@arabisches-filmfestival.de Kontakt aufnehmen.

Zum Artikel

Erstellt:
16.09.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 57sec
zuletzt aktualisiert: 16.09.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.
Aus diesem Ressort

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Wirtschaft: Macher, Moneten, Mittelstand
Branchen, Business und Personen: Sie interessieren sich für Themen aus der regionalen Wirtschaft? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Macher, Moneten, Mittelstand!