Anna Karenina

Anna Karenina

Stilistisch ambitionierte Neuverfilmung von Leo Tolstois epochalem Roman mit Keira Knightley als untreue Ehefrau.

03.12.2012

Von Dorothee Hermann

Die russische Prachtvariante des Viktorianismus findet Regisseur Joe Wright ("Stolz und Vorurteil") in den Ballsälen von Tolstois "Anna Karenina". Seine grandiose Verfilmung beginnt mit der Ansicht eines prunkvollen historischen Theaters, dessen goldbesetzter Vorhang sich auf einen weiteren Prachtplan hebt: das russische Kaiserreich 1874.

Einen Augenblick lang rattert noch die Spielzeug-Eisenbahn von Annas Sohn durch die Schneelandschaft, dann sieht man die Karenina (Keira Knightley) schon selbst in einem altmodischen Zug sitzen. Als sie in Moskau eintrifft, wo sie ihren Affären zugeneigten Bruder zur Besinnung bringen soll, ist der nächtliche Bahnhof tief vereist, alles schimmert in Blau und Silber. Der Heizer mit dem rußverschmierten Gesicht tritt so unvermittelt vor sie wie eine Gestalt aus einem Horrorschocker. Sein Unfalltod ist ein Omen und lässt womöglich gerade deshalb die Gala-Uniform des jungen Offiziers Wronski (Aaron Taylor-Johnson) umso heller leuchten.

Der Kontrast von Hell und Dunkel bestimmt auch die erste der großartigen Ball-Choreografien. Annas Robe ist tiefschwarz und überstrahlt sofort das kindliche Weiß ihrer Nichte Kitty, die schon länger in Wronski verliebt ist.

Immer wieder treten die Figuren aus der Weite der kahlen Kulisse oder den hölzernen Aufbauten der Oberbühne in die Szenerie. Diese Konstruiertheit verweist auf das Ungesicherte des menschlichen Lebens wie auf die Kulissenhaftigkeit des Films - was der Opulenz seiner Bilder etwas beinahe Magisches verleiht.

Sogar der Schlag der Kutsche, in der Anna und ihr Mann (Jude Law als vertrockneter viktorianischer Backenbart) nach dem entscheidenden Enthüllungsmoment sitzen, öffnet sich wie ein Bühnenportal - auf einen dunklen Irrgarten hin. So treibt Anna in einem bestechenden visuellen Wirbel ihrem Untergang entgegen, der gegen Ende ein wenig übersteuert gerät.

Begierde als tödliches Spiel in den Händen eines Ausnahme-Illusionisten.

Anna Karenina