Sonntagmorgen, 8.30 Uhr. HalbTübingen schläft noch. Die andere Hälfte ist an diesem Morgen eventuell etwas ungewöhnlicher als sonst geweckt worden. Die Bewohner der Wilhelmstraße etwa von einem seltsamen Surren. Als ob hunderte Rennräder am Haus vorbeisausen würden. Oder die Bewohner in der Collegiumsgasse: ein Getippel und Getrappel da draußen, als ob ein Pulk Jogger vorbeirennen würde. Auch die Anwohner der Garten- oder Uhlandstraße könnten ein lautes Geplätscher im Neckar vernommen haben, dazu geschäftiges Treiben auf der Platanenallee. Was ist eigentlich los?

Erste Startzeit: 8 Uhr

Schwimmen, Radeln, Laufen: Triathlon im Herz von Tübingen

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Radfahrer, Läufer und Schwimmer – wenn sie die Stadt erobern, ist der Triathlon los. In diesem Jahr ist bereits die dritte Auflage dieses Sportevents in Tübingen erreicht. Den ganzen Sonntag lang wird im Neckar geschwommen, die Mühlstraße rauf und Wilhelmstraße runter über Lustnau nach Bebenhausen geradelt und kreuz und quer durch die Altstadt gelaufen. Alle diese Disziplinen hintereinander weg. Vormittags die Amateure, nachmittags die Profis. Erste Startzeit der Amateure in der Olympischen Distanz: 8 Uhr. 1500 Meter Schwimmen im Neckar, 40 Kilometer Radfahren, dann 10 Kilometer laufen.

„Ich habe es heute Morgen von unserem Garten aus im Neckar schnauben und prusten hören und dachte, das schaue ich mir mal genauer an“, sagt eine 36-jährige Mutter. Sie wohnt mit ihrer Familie in der Gartenstraße. Jetzt steht sie mit dem kleinen Sohn auf dem Arm hinterm Uhland-Denkmal am Indianersteg, der zur Neckarinsel hinüberführt. Beide verfolgen mit großen Augen das ungewöhnliche Treiben hier: Barfüßige Radler joggen über die eine Seite des Stegs, das Rad vor sich herschiebend, auf die Neckarinsel rauf. Auf der anderen Seite des Stegs, die Insel wieder runter, kommen ihnen Läufer entgegen. Es ist eng. „Rechts laufen!“ ruft ein Ordner immer wieder. Und: „Helm zulassen! Helm erst auf der Insel öffnen!“

Es tippelt und trappelt über den Steg, ein entferntes Surren und Klacken kündigt die nächste Welle joggender Radler an. „Von der Neckarbrücke durch die Uhlandstraße über den Indianersteg auf die Neckarinsel – die müssen eine ganz schön lange Strecke mit ihrem Rad joggen, darüber haben sich einige beschwert“, bemerkt der Ordner am Steg, bevor er wieder ein lautes „Rechts laufen!“ ruft.

Die Lücke abwarten

Auf der Neckarinsel unter den Platanen befindet sich die so genannte Wechselzone der Amateure. Hier schlüpfen sie von der Badehose in die Radmontur und schließlich von der Radmontur ins Läufer-Outfit – alles so schnell wie möglich, denn die Zeit läuft mit. „Da wäre ich ja gerne mal dabei – wie behalten die denn da den Überblick?“ fragt sich die Beobachterin. Aus der Ferne sieht man eine endlose Reihe an Rädern, dazwischen meint man Kleidungsstücke und Turnschuhe auszumachen. „Was ist, wenn man seine Turnschuhe nicht findet?“ fragt sich die junge Mutter.

Von der Neckarbrücke Richtung Karlstraße kommt man am Vormittag zum Beispiel nur tröpfchenweise vorwärts. Die Absperrung wird hier immer nur in Rennpausen geöffnet. Ansonsten heißt es auf die nächste Lücke warten, in der die angestrengten Ordner mit hochroten Köpfen die Gitter öffneten und damit die Gemüter wieder für eine Weile beruhigen. Denn vor den Absperrungen knubbeln sich nicht nur die Menschen – sondern bildet sich auch Frust. „Was ist denn da los? Das ist ja eine Unverschämtheit!“ ist immer wieder zu hören. „Wie komme ich denn jetzt rüber in die Kirch‘? Was ist das denn heute hier?“ fragt eine alte Frau verzweifelt.

Viele Zuschauer bei der Sprintdistanz

Die Antwort wartet ein paar Schritte weiter: „Das hier ist mein erster Triathlon und der war echt geil!“, strahlt Hannes Brühl. Der 24-jährige Student steht in der so genannten Relax-Zone, die vor dem Uhlandbad aufgebaut ist. „Teilweise war es echt hart, aber es ist ein tolles Gefühl, das geschafft zu haben“, sagt er stolz und guckt auf die Uhr. Er muss schnell weiter, seine Freundin ist gerade auf der Sprintdistanz unterwegs.

Gegen Mittag schwillt der zeitweilig erheblich geschrumpfte Zuschauerstrom wieder an: Die Profis trudeln auf der Neckarbrücke ein, hier ist ihre Wechselzone. Hoch gewachsene, muskeldefinierte, braun gebrannte, junge Männer und Frauen lassen sich von den Schiedsrichtern die Ausrüstung gegenchecken und suchen sich anschließend ihren zugewiesenen Platz. Schiedsrichter, Ordner, Presse, Sportler – die Veranstaltungsszene bekommt ein professionelleres Gesicht als am Vormittag. „Jetzt ist Bundesliga angesagt, die haben ihre eigenen Leute“, erklärt einer der Ordner über den Zaun hinweg.

Bundesliga hin oder her, so recht will die Stimmung bei den Profirennen nicht aufkommen. Die Neckarbrücke ist zwar voll, die meisten bleiben stehen, gucken aber nur kurz und gehen weiter. Mitfiebern geht anders. „Das hier ist Bundesliga, also absolutes Topniveau! Also, klatscht mal ein bisschen!“ animiert der Moderator schon beinahe verzweifelt. „Sind da welche im Wasser?“ erkundigt sich eine ältere Zuschauerin freundlich bei ihrem Nachbar. „Nee, die sind doch schon lang auf der Radstrecke!“, erklärt der leicht genervt. „Ach so. Und was ist das eigentlich genau hier?“ Viele Tübinger Zuschauer gehören beim Triathlon halt doch noch zu den Amateuren.