Zündeln und Nacktsein verboten

Am Kirchentellinsfurter Baggersee kontrolliert jetzt die Security

Kirchentellinsfurt beschloss eine neue Polizeiverordnung. Sie verbietet Hunde, Lagerfeuer, Wild-Grillen, FKK, Nacktbaden und den Aufenthalt nach 22 Uhr.

31.05.2017

Von Manfred Hantke

Am Baggersee bei Kirchentellinsfurt wird jetzt die Einhaltung der neuen Baderegeln kontrolliert. Archivbild: Grohe

Am Baggersee bei Kirchentellinsfurt wird jetzt die Einhaltung der neuen Baderegeln kontrolliert. Archivbild: Grohe

Hunde am Baggersee sind verboten, auch Lagerfeuer und „Wild-Grillen“, ebenso FKK und Nacktbaden. Auch der Aufenthalt am See von 22 bis 6 Uhr ist nicht erlaubt. Das sind die wesentlichen Bausteine der Polizeiverordnung über die Benutzung des Baggersees, die der Kirchentellinsfurter Gemeinderat am Montag mehrheitlich beschlossen hat. Die Polizeiverordnung löst zwei 1991 beschlossene Verordnungen ähnlichen Inhalts ab, von denen eine schon vor sechs Jahren ausgelaufen war. Während es jedoch früher an der Durchsetzung der alten Verordnungen haperte, soll sich das jetzt ändern.

Schilder werden ignoriert

Am Südufer tummeln sich Nacktbader, Spaziergänger mit Hunden und Radfahrer, obwohl es zur Schutzzone gehört, wie Bürgermeister Bernd Haug erläuterte. Das Betreten sei verboten, damit sich Tier- und Pflanzenwelt entwickeln können. Ihm gehe es um die Erhaltung des Grünbestandes. Die Schutzziele würden durch die ausufernde Nutzung „deutlich mit Füßen getreten“, so Haug.

Und auf dem Parkplatz am Nordufer treffe sich die Schwulen-Szene. „Es geht nicht um Stigmatisierung einer sexuellen Orientierung“, so Haug, er betreibe keine „Schwulen-Hetze“. Doch da werde Sexualität in der Öffentlichkeit ausgelebt und als Stilmittel missbraucht. Es sei der falsche Platz, die Toleranzgrenze werde überschritten.

Über seine Erfahrungen am See berichtete der Vollzugsbedienstete Alexander Leeb. Er war schon oft dort und verteilte Knöllchen. Auch das Betretungsverbot für das Südufer wollte er durchsetzen. Doch er fühlte sich allein machtlos, sagte er.

Seit Mittwoch vergangener Woche hat er Verstärkung. Vier Männer einer Securityfirma begleiten ihn. Täglich seien 40 bis 50 Personen am Sudufer gewesen, am Freitag 70, am Sonntag innerhalb von zwei Stunden 100. Sobald er und die Security-Mitarbeiter das Südufer „geräumt“ hatten und zurückkamen, war es gleich „wiederbesiedelt“ – lediglich 20 bis 25 Minuten seien vergangen. Das neue Schild gleich am Eingang zum See links (Bild) werde nicht beachtet, „sie laufen ignorant vorbei“. Andere verschlossene Zugänge seien „mit Maschinenaufwand“ und „hoher Gewalt“ niedergemacht worden. Im Schilfbereich sei gar ein neuer Zugang zum Südufer geschaffen worden. Hürden, etwa Baumstämme, würden überwunden. Da kommen Familien, machen eine Radtour und lupften die Räder einfach drüber.

Am Nordufer traf das Team in zwei Tagen auf 25 bis 30 „Wild-Griller“. Zum Teil sei der Grill am Verbotsschild angelehnt worden, damit er nicht umkippt. Ignoriert werde das Lagerfeuer- und das Hundeverbot. Bei gutem Wetter waren täglich 20 Hunde mit Herrchen oder Frauchen unterwegs.

Umfrage

Als Leeb die Zufahrt zum Baggersee um 22 Uhr schloss und nur die Ausfahrt offen ließ, seien noch 20 Autos raus gefahren. „Viele“ seien in den Waldweg der Pliezhäuser Straße (dafür ist die Stadt Reutlingen zuständig), parkten im absoluten Halteverbot und hätten „schnellen Sex“ gehabt. Etwa 80 Prozent der nach 22 Uhr auf den Parkplatz einfahrenden Autofahrer hätten nackt oder in Frauenkleidern im Auto gesessen, so Leeb.

Auch Martin Zerrinius, Leiter des Polizeireviers Tübingen, war zur Ratssitzung angerückt. „Was in Köln Silvester war, haben Sie hier im Kleinen vor Ort“, sagte er. Zwei Anzeigen seien im Mai erstattet worden – jedes Mal habe ein Mann onaniert. Aus seiner Sicht sei der Baggersee ein „krimineller Ort“. Er wolle Kirchentellinsfurt dabei unterstützen, den „Ruf zu verändern“. Die Resonanz der legal Badenden am Nordufer auf die Kontrollen der vergangenen Tage jedenfalls sei „positiv“, so Leeb.

Selbstkritische Gemeinderäte

Manfred Wolpert-Gottwald (GAL) war selbstkritisch. Über 20 Jahre seien die Verbote nicht beachtet worden. Als Gemeinderat hätten sie das „schleifen lassen“. Werner Rukaber (SPD) pflichtete ihm bei, aber auch die Polizei habe keine großen Anstrengungen gemacht, das Betretungsverbot durchzusetzen. Es sei nicht einfach, das Rad zurückzudrehen, doch „man sollte etwas tun, wenn man geltendes Recht durchsetzen will“.

Susanne Weitbrecht (RAT) sah das Ganze „nicht so dramatisch“, sie sehe beim Baggersee „keinen Kriminalitätsschwerpunkt“. Ob FKK am Nordufer ausgewiesen werde, wollte sie wissen. Denn je schneller am Nordufer nackt gebadet werden könne, desto rascher seien die Nacktbader vom Südufer weg. Es soll versucht werden, eine Nacktbadezone am Nordufer über das Bebauungsplanverfahren einzurichten, versprach Haug.

Mit zwei Gegenstimmen (RAT) beschloss der Gemeinderat das Polizeigesetz und das Gebiet, das in der Sitzung noch bis zur Gemarkungsgrenze beim Mayer-See erweitert wurde. Bild: Hantke

Am Kirchentellinsfurter Baggersee kontrolliert jetzt die Security