Paul Horn GmbH wächst weiter kräftig

Alle acht Jahre eine große Halle

Tübingens größter Gewerbebetrieb ist weiter auf weltweitem Wachstumskurs – und investierte in den vergangenen zwei Jahren über 70 Millionen Euro vor Ort.

30.05.2017

Von Volker Rekittke

171 Meter lang, 50 Meter breit und 18 Meter hoch ist der Ende 2016 bezogene Derendinger Neubau der Paul Horn GmbH, das Werk II. Bild: Metz

171 Meter lang, 50 Meter breit und 18 Meter hoch ist der Ende 2016 bezogene Derendinger Neubau der Paul Horn GmbH, das Werk II. Bild: Metz

Maschine an Maschine reiht sich auf den zwei Stockwerken im nagelneuen Horn-Werk II aneinander. Über den hellen Boden zwischen den riesigen CNC-Automaten laufen erstaunlich wenige Arbeiter. Das aus Brandschutzgründen sauerstoffreduzierte Hightech-Lager wird sogar schon weitgehend automatisch betrieben – drei bis vier Mal so viele Hartmetall-Werkzeuge wie bisher können von hier täglich zur Kundschaft rund um den Globus geschickt werden.

171 Meter lang, 50 Meter breit und 18 Meter hoch ist die Halle im Derendinger Steinlachwasen: 20 000 Quadratmeter Fläche, davon 12 000 Quadratmeter Produktionsfläche – eine glatte Verdoppelung. Bezogen wurde Werk II im Oktober vergangenen Jahres. Insgesamt 71,5 Millionen Euro investierte Firmenchef Lothar Horn, 60, in den Bau, in Dutzende neue Maschinen sowie in den Verwaltungstrakt-Anbau an das Bestandsgebäude. Alles wurde vollständig über die Rücklagen finanziert, Kredite musste Horn keine aufnehmen. Die Eigenkapitalquote liegt beim, nicht nur im Branchenvergleich, sehr hohen Wert von über 90 Prozent. Horn will von Banken unabhängig bleiben, „möglichst autonom operieren können“.

Für das Horn-Werk II wurde eigens der Bebauungsplan geändert. Zuvor wäre solch eine Höhe im Derendinger Gewerbegebiet nicht möglich gewesen. Angesichts der aktuellen Debatte um fehlende Gewerbeflächen ist die neue Horn-Halle für Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer und Baubürgermeister Cord Soehlke ein Musterbeispiel für eine verdichtete Industrie-Bauweise, auf die die Stadtverwaltung seit einiger Zeit verstärkt achte.

Längst ist die Paul Horn GmbH nicht nur Tübingens größter industrieller Arbeitgeber, sondern auch der größte Gewerbesteuerzahler der Unistadt. Etwa die Hälfte des Umsatzes verdient „der Marktführer beim Nutfräsen und Einstechen“ (Horn) mit Werkzeugen für die Automobilindustrie, über 10 Prozent sind es im Bereich Medizintechnik, 5 Prozent der Kunden kommen aus der Luft- und Raumfahrt. „Wir sind immer noch stark geprägt von Motor und Getriebe“, sagt Horn. Die großen Autobauer und Zulieferer können unter 20 000 Standard- und 120 000 Sonderwerkzeugen die für sie passenden auswählen. Horns Hauptkonkurrent sitzt übrigens nicht in Tübingen (Walter), sondern in Israel (Iscar). Auch wenn das millionste Elektroauto in Deutschland noch auf sich warten lassen dürfte: Bei Horn denkt man schon eine Weile über die Zukunft ohne Verbrennungsmotors nach, so Horn: „Die E-Mobilität hängt wie ein Damoklesschwert über uns.“

Große Zuwächse verspricht sich der Firmeninhaber von der Medizintechnik, etwa bei Werkzeugen zur Herstellung von „menschlichen Ersatzteilen“. Die sind häufig aus Titan, ein nicht gerade einfach zu bearbeitender Werkstoff. Auch in der Luft- und Raumfahrtindustrie dürfte sich noch einiges tun – wie überhaupt auf den Märkten rund um den Globus: Trotz Staatskrise wachse die Türkei derzeit „sehr stark“, in den USA stieg der Horn-Marktanteil von 1 bis 2 Prozent (2009) auf aktuell 7 bis 8 Prozent. In Deutschland sind es um die 30 Prozent, so Lothar Horn.

Doch zurück nach Tübingen. Über 900 Beschäftige arbeiten hier, das Unternehmen hat einen Betriebsrat. Horn ist nicht Mitglied im Arbeitgeberverband, orientiere sich aber am Metall-Tarifvertrag, liege insgesamt „leicht darüber“, so Firmensprecher Christian Thiele.

Und wie lange reicht der Platz in der neuen Derendinger Produktionshalle? Noch gibt es dort ein paar freie Flächen, auch auf dem 2015 gekauften Nachbar-Areal sind nicht nur 90 Parkplätze entstanden – im einstigen Renault-Autohaus Löffler kommt demnächst auch die interne Maschinenbau-Abteilung unter. „Wir haben zuletzt alle acht Jahre unsere Produktionsfläche verdoppelt“, sagt Horn, der für 2017 erneut 10 Prozent Umsatzwachstum erwartet: „Wir sind bei weitem noch nicht am Ende.“ Wenn es so stürmisch weitergeht, wäre bereits 2024 ein neuer Bauabschnitt fällig. Wo? Das ist noch nicht spruchreif, sagt Lothar Horn. Nur soviel: Der Chef macht sich bereits Gedanken.

Viele moderne Maschinen, eine überschaubare Zahl von Arbeitern, wenig Lärm und fast kein Schmutz: So sieht es im Inneren vom neuen Werk II der Paul Horn GmbH im Derendinger Steinlachwasen aus.Bild: Paul Horn GmbH

Viele moderne Maschinen, eine überschaubare Zahl von Arbeitern, wenig Lärm und fast kein Schmutz: So sieht es im Inneren vom neuen Werk II der Paul Horn GmbH im Derendinger Steinlachwasen aus.Bild: Paul Horn GmbH

Lothar Horn Bild: Horn GmbH

Lothar Horn Bild: Horn GmbH

Viel Umsatz, viel Gewinn

930 Mitarbeiter/innen (davon 60 Auszubildende) waren Ende 2016 am Tübinger Stammsitz der Paul Horn GmbH beschäftigt – fast 50 mehr als im Jahr zuvor. Zum Vergleich:

2011 waren es noch 720 Beschäftigte. In den weltweit zehn Schwesterfirmen – die rechtlich nicht zur Tübinger GmbH, sondern Lothar Horn persönlich gehören – arbeiten weitere 500 Beschäftigte.

Die Hartmetall-Werkzeugfirma erwirtschaftete 2016 in Deutschland einen Umsatz von 167 Millionen Euro (weltweit: 270 Millionen Euro) – ein Plus von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nach den bislang noch vorläufigen Zahlen geht Lothar Horn für 2016 von 8,3 Prozent Umsatzrendite nach Steuern aus (6,25 Prozent in 2015). Fürs laufende Jahr rechnet Horn mit einem Umsatzwachstum von 10 Prozent. Die Firma ist in 70 Ländern auf allen Kontinenten vertreten.

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Erstellt:
30.05.2017, 02:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 14sec
zuletzt aktualisiert: 30.05.2017, 02:00 Uhr

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