Gegen Wohnungsnot und Leerstand

Aktivisten haben am Donnerstagabend ein Haus auf dem Österberg besetzt

Baubürgermeister Soehlke redete am Donnerstagabend mit den Besetzern der seit einem halben Jahr leerstehenden Wielandshöhe in der Stauffenbergstraße.

27.10.2016

Von Volker Rekittke

„Wohnungsnot + Leerstand = Hausbesetzung“ steht auf dem Transparent, das ein Trupp Besetzer entrollt hat. Bild: Sommer

„Wohnungsnot + Leerstand = Hausbesetzung“ steht auf dem Transparent, das ein Trupp Besetzer entrollt hat. Bild: Sommer

„Wohnungsnot + Leerstand = Hausbesetzung“ steht auf dem Transparent, das ein Trupp Besetzer gerade entrollt hat. Auf einer Gitarre wird ein alter „Ton Steine Scherben“-Song angestimmt: „Wir brauchen keine Hausbesitzer, denn die Häuser gehören uns.“

Seit einen halben Jahr steht die „Wielandshöhe“ in der Stauffenbergstraße 10 leer. Am Donnerstagabend wurde das unter Denkmalschutz stehende Gebäude von einigen Dutzend Student(inn)en und Aktivisten besetzt. Die Polizei war gegen 19.30 Uhr mit einigen Streifenwagen vor dem bereits besetzten Haus in der Stauffenbergstraße vorgefahren – und hinderte eine Gruppe von etwa 40 Unterstützern daran, in das Haus zu gehen. Kurz sah es so aus, als würde die Situation eskalieren: Die Polizei hatte einen Platzverweis gegen die friedlich vor dem Haus Versammelten ausgesprochen.

Auch der Tübinger Ordnungsamtsleiter Rainer Kaltenmark war bald, nachdem ihn die Polizei informiert hatte, vor Ort und verhandelte mit der Besetzergruppe in der Wielandshöhe. Kurz darauf zog die Polizei ab. Kaltenmark hatte den Besetzern klargemacht, dass – bis auf ein bereits beim Einstieg zerbrochenes Fenster – keine weiteren Sachbeschädigungen toleriert würden. Gegenüber dem TAGBLATT sagte Kaltenmark, er habe mit dem Eigentümer des Hauses gesprochen: Ein Vertreter der Evangelischen Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal wolle in der Nacht auf Freitag nichts mehr unternehmen.

Kurze Zeit später kam Baubürgermeister Cord Soehlke in das besetzte Haus und diskutierte mit einer größeren Gruppe Besetzer(inne)n. Der Tübinger Gemeinderat hatte sich bereits mit dem Gebäude, das zuletzt die geriatrische Tagesklinik des Uniklinikums beherbergt hatte, beschäftigt. Laut Soehlke wollte die Stadt das große Gebäude mieten, um dort Flüchtlinge unterzubringen – in einem Wohnprojekt gemeinsam mit Studierenden und anderen Tübingern. Es fanden Verhandlungen mit der Diakonieschwesternschaft über Mietverträge statt, an denen der Verein Alter Tübinger Luginsländer (VATL), eine Wohnprojektinitiative des Mietshäuser Syndikats sowie die Stadtverwaltung beteiligt waren. Doch dann seien die Verhandlungen  vom Eigentümer abgebrochen worden. Laut Soehlke will die Schwesternschaft das Haus nun anderweitig verkaufen.

„Die Besetzung ist eine Reaktion auf den großen Leerstand von Wohnraum bei gleichzeitiger Wohnungsnot und massiv steigenden Mietpreisen in Tübingen“, heißt es in einer von den Besetzern verschickten Mitteilung. Darin wird für den heutigen Freitag, 15 Uhr, ein Workshop des Wohnraumbündnisses in der Wielandshöhe angekündigt, um 20 Uhr ein Poetry Slam und der Film „Mietrebellen“ (22 Uhr). Am Samstag wird von 16 Uhr an zum „Immobiliendialog für alle“ geladen, vorher gibt’s Kinderprogramm und „Essen für alle“.

Warum sie mit vors Haus gezogen ist? „Weil Wohnungen so teuer sind“, sagt eine 23-jährige Studentin. „Es gibt Leute, die zwei Stunden mit dem Zug nach Tübingen pendeln, weil sie hier nichts finden.“ Sie selbst habe am Beginn des Studiums einen Monat gesucht, eine Woche schlief sie in ihrem Auto. „Man hätte viel früher anfangen müssen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“

Die Frau neben ihr findet es „legitim“, ein Haus zu besetzen: „Weil sich in Tübingen überhaupt nichts bewegt. Und es gibt einen großen Bedarf.“ Ein 26-Jähriger, der gerade promoviert, will die Hausbesetzer unterstützen, weil er das Anliegen richtig findet: „In Tübingen herrscht Wohnungsnot.“

Nach Auskunft der Stadtverwaltung stehen in Tübingen über 150 Häuser sowie etliche Wohnungen längere Zeit leer. Unlängst hatte der Gemeinderat deshalb auf Initiative von OB Boris Palmer eine Zweckentfremdungsverordnung beschlossen, die längeren und unbegründeten Leerstand mit Geldbußen ahndet.

Da stand noch die Polizei zwischen der besetzten Wielandshöhe und etwa 40 Unterstützern – kurze Zeit später zogen die Beamten ab. Bild: Sommer

Da stand noch die Polizei zwischen der besetzten Wielandshöhe und etwa 40 Unterstützern – kurze Zeit später zogen die Beamten ab. Bild: Sommer

Bild: Sommer

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Erstellt:
27.10.2016, 23:25 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 27.10.2016, 23:25 Uhr

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