Hirschau im Ausnahmezustand

Äschedreppler und Bettschoner zogen durch den Neckar-Kurort

Von wegen hinterher, wie die alte Fasnet: Bereits knapp zwei Wochen vor dem Schmotzigen ging es in Hirschau heiß her. Gefeiert wurden 50 Jahre Narrenzunft und das Treffen des Närrischen Freundschaftsrings Neckar-Gäu. Am Sonntag zogen 26 Zünfte durchs Dorf.

24.01.2016

Von WERNER BAUKNECHT

Hirschau. Ausnahmezustand in Hirschau: Noch bevor der große Umzug gestern startete, wurde Ortsvorsteher Ulrich Latus von Moderator Klaus Ranft zum „Oberbürgermeister von Bad Hirschau“ ernannt – und musste zur Feier des Tages zu „Wir fahren zur närrischen Kur nach Bad Hirschau – am Neckarstrand“, mitschunkeln.

Für viel Begeisterung sorgten, wie jedes Jahr, die Hirschauer Strohbären, „Äschedreppler“ genannt. Groß der Aufwand jedes Mal, bis die Narren im Stroh stecken (links oben). Eine Besonderheit dieses Mal: Unterm Stroh verbarg sich der ehemalige Feuerwehrkommandant Boris Maximowitsch aus Kingersheim, der französischen Partnerstadt der Hirschauer. Eine Kanone der „Hirschauer Bürgerwehr“ sorgte auch gleich mal für den großen Knall: Der ganze Wagen wurde mit Konfetti beschossen.

Am Samstag war der Narrensamen der 26 Ringzünfte bereits durch Hirschau gezogen (rechts oben) – und hatten sich offenbar von den Großen schon einiges abgeschaut: Die Schwalldorfer Junghexen etwa schreckten nicht davor zurück, in den Ohren der Besucher am Straßenrand zu bohren.

Viele der Zünfte hatten am Sonntag gleich ihren Narrenbüttel mitgebracht. „Der achtet auf die Disziplin und die Moral in der Gruppe“, scherzte da Ranft, als das Exemplar der Ergenzinger Narrenzunft an ihm vorbei mit der Schelle wedelte. Finster waren auch die meisten Hexen. So manches Elternpaar musste als Deckung für die Kleinen herhalten. Eine Süßigkeit aus Hexenhand sorgte dann meist für Beruhigung. Bei der Weiherhexe der Narrenzunft Vollmaringen (rechts unten) wurde selbst das manchmal schwierig: Die Wasserhexe mit ihrer langen, gebogenen Nase hat einen toten Fisch zwischen den Zähnen.

Wilde Wesen trafen sich in Hirschau: Die Wurmlinger Knöpfle (Bild) zogen vom Nachbardorf herüber und gesellten sich zu Hexen und Gestalten aus der ganzen Region: 26 Zünfte feierten am Wochenende in Hirschau das 27. Ringtreffen des Närrischen Freundschaftsrings Neckar-Gäu. Beim Umzug trotzten gestern rund 4000 Zuschauer den grünen Nebelschwaden und gruseligen Einschüchterungsversuchen. Bild: Metz

Wilde Wesen trafen sich in Hirschau: Die Wurmlinger Knöpfle (Bild) zogen vom Nachbardorf herüber und gesellten sich zu Hexen und Gestalten aus der ganzen Region: 26 Zünfte feierten am Wochenende in Hirschau das 27. Ringtreffen des Närrischen Freundschaftsrings Neckar-Gäu. Beim Umzug trotzten gestern rund 4000 Zuschauer den grünen Nebelschwaden und gruseligen Einschüchterungsversuchen. Bild: Metz

Aber auch die Zuschauer, um die 4000, kamen größtenteils kostümiert. Selbst ein Hund steckte im Häs – Herrchen hatte ihm ein Hirschgeweih auf den Kopf gesetzt.

Zahlreiche Lumpenkapellen und Musikvereine sorgten immer wieder für Stimmung. Die Musiker aus Grünmettstetten trugen gar einen brütenden Storch auf dem Kopf (unten). Gar nicht lustig dagegen, die Ahldorfer „Schmorra“ (links darüber) – einer Figur, „der man nicht bei Nacht begegnen will“, wie ein Zuschauer sagte. Alleine schon die Fangzähne sorgten beim Jungvolk für Angst und Schrecken.

Viel Aufsehen riefen auch die Bettschoner vom Narrenverein Weitingen hervor (weiße Figuren, links). Die wurden angeführt von den „Langen Männern“, eindrucksvollen Dreimeterfiguren, die den Umzugspulk weit überragten. Dahinter ihre Bettträger, Gestalten im weiten Nachthemd, die Jungfrauen am Straßenrand auflesen und sie in eine Bettlade verfrachten. „Die brauchen dauernd Frischfleisch“, warnte Moderator Ranft von der sicheren Bühne aus. Nach dem Umzug gab’s noch eine zünftige Straßenfasnet und danach Party in der Stefan-Hartmann-Halle.