A Most Wanted Man

A Most Wanted Man

Intensiver Politthriller mit Philip Seymour Hoffman über das schmutzige Geschäft des Kampfs gegen den Terror.

13.08.2014

Von Klaus-Peter Eichele

9/11 war eine fürchterliche Blamage für Deutschland, schließlich ist der Massenmord völlig unbemerkt von den Behörden in Hamburg ausgeheckt worden. Damit sich solches nicht wiederholt wurde in der Hansestadt eine streng geheime, in der Grauzone des Rechtsstaats operierende Anti-Terror-Einheit gegründet. Letzteres ist jedenfalls das plausible Szenario in John Le Carrés Roman „Marionetten? aus dem Jahr 2008, den Anton Corbijn („Control?, „The American?) adäquat verfilmt hat.

Der Leiter dieser Truppe, der in vielen Schlachten gestählte Geheimdienst-Kämpe Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman), ist indes kein fanatischer Moslemfresser, sondern ein langfristig denkender Stratege, der die internen Strukturen des Terrorismus verstehen und aufdecken will. Derlei Umsicht kollidiert aber mit der Haltung anderer nationaler und internationaler Akteure, die darauf aus sind, dass möglichst schnell Köpfe rollen ? egal ob von Schuldigen oder bloß Verdächtigen.

Konkret geht es um den illegal nach Deutschland gekommenen Tschetschenen Issa Karpov, der in Hamburg Zugriff auf ein beträchtliches, vorläufig noch in einem Banksafe lagerndes Vermögen hat. Laut Bachmanns Instinkt ist dieser traumatisierte, von Folternarben übersäte Kerl nur ein kleiner Fisch, der ihm aber den Weg zu den Haien, den Finanziers des Terrors, weisen könnte. Als überraschend hartnäckiges Hindernis erweist sich jedoch Karpovs gutmenschliche Anwältin (Rachel McAdams). Um sie umzudrehen, zieht Bachmann alle Register einer an kein Gesetz gebundenen Schatten-Organisation.

Wie in Le-Carré-Verfilmungen, zumindest den besseren, üblich, verbindet auch „A Most Wanted Man? klassischen Politthrill mit einem akkuraten Blick auf den eher grauen Agentenalltag und reale Geheimdienst-Strukturen. Der fällt in diesem Fall besonders ernüchternd aus. Der Schock des 11. September hat demnach nicht zur Bündelung der Anti-Terror-Kräfte geführt, sondern zu ihrer Zersplitterung. Unter Erfolgsdruck kämpft um des eigenen fragwürdigen Vorteils willen jeder gegen jeden, und das mit immenser intriganter Energie. Und wozu soll man Verdächtige geduldig beobachten, wenn man sie, in Guantanamo oder anderswo, auch rustikal in die Mangel nehmen kann. Unter diesen Prämissen sind relativ integre und weitsichtige Kräfte wie Bachmann zum Scheitern verdammt.

Entsprechend unterkühlt ist Corbijns Inszenierung, in der das wolkenverhangene, verregnete oder nachtschattige Hamburg die atmosphärische Richtung vorgibt. Dass der Film auch berührt, liegt an Philip Seymour Hoffman. Der im Februar an einer Überdosis Heroin gestorbene Ausnahme-Schauspieler liefert die intensive Charakterstudie eines Agenten alten Schlags, den die Zumutungen seines Jobs müde, misstrauisch und eigenbrötlerisch gemacht haben, der aber trotzdem noch daran glaubt, die Welt mit Bedacht und Vernunft in einen besseren Ort verwandeln zu können. Für einen solchen Melancholiker ist in der neuen Weltordnung aber kein Platz mehr.

A Most Wanted Man