Der Pendlersaldo wurde etwas schlechter

75 Prozent der berufstätigen Rottenburger arbeiten auswärts, viel mehr als im Bundesdurchschnitt

Oberbürgermeister Stephan Neher legte bei der Einwohnerversammlung eine Statistik zur Arbeitsplatzentwicklung vor. Der Entwicklungszeitraum entspricht seiner bisherigen Amtszeit: von 2009 bis 2016.

24.05.2017

Von Gert Fleischer

Noch schneller können Pendler zwischen Tübingen (Bildmitte oben) und Rottenburg (unten links die Rolusiedlung) fahren, wenn erst die Bundesstraße 28neu zwischen Neckar und Bahnlinie gebaut ist. Bild: Grohe

Noch schneller können Pendler zwischen Tübingen (Bildmitte oben) und Rottenburg (unten links die Rolusiedlung) fahren, wenn erst die Bundesstraße 28 neu zwischen Neckar und Bahnlinie gebaut ist. Bild: Grohe

Der Erfolg wäre makellos, betrachtete man allein den Zuwachs an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in der Stadt Rottenburg arbeiten: Innerhalb von sieben Jahren stieg deren Zahl um 1992 Köpfe oder um fast 28 Prozent. Doch im selben Zeitraum nahm auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die insgesamt in Rottenburg wohnen, um 2332 zu. Das sind mit 16 Prozent Zuwachs zwar prozentual weniger, aber in der absoluten Zahl mehr. Konsequenz: Noch mehr Rottenburger/innen verlassen zum Arbeiten die Stadt.

Das allein muss keineswegs ängstigen. Die laut einer Empirica-Untersuchung von 2015 großen deutschen Schwarmstädte wie München, Leipzig und Frankfurt als Erstplatzierte sind stark gewachsen und haben jetzt trotzdem mehr Auspendler.

Immerhin, die Entwicklungstendenz in Rottenburg ist richtig. Besonders interessant ist der Vergleich der Zahlen für die Berufsauspendler mit denen für die Berufseinpendler, der so genannte Pendler-Saldo: Vor sieben Jahren fuhren 7392 Leute mehr aus der Stadt zu ihrer Arbeit, als zum Arbeiten in die Stadt kamen. Im vorigen Jahr betrug diese Differenz 7731 Beschäftigte. Das heißt, der Pendlersaldo verschlechterte sich um 4,6 Prozent.

Die Auspendlerquote, also der Anteil der in Rottenburg wohnenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der täglich außerhalb der Stadt zur Arbeit muss, betrug nach den städtischen Zahlen vor sieben Jahren 75,0 Prozent, im vorigen Jahr 75,1 Prozent. Diesbezüglich ist also keinerlei Besserung eingetreten.

Wie schlecht diese Quote ist, zeigt der Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt: Da lag die Auspendlerquote im Jahr 2015 bei 60 Prozent. Diese Zahl veröffentlichte das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Anfang April dieses Jahres. Während die Quote in Rottenburg in den sieben Jahren so gut wie gleich geblieben ist, nahm sie bundesweit innerhalb von 15 Jahren stark von 53 auf 60 Prozent zu. So gesehen hatte Rottenburg auf sehr hohem, schlechten Niveau wenigstens die deutlich bessere Tendenz.

Würden die 5003 Beschäftigtem, die täglich aus anderen Städten und Gemeinden nach Rottenburg zum Arbeiten kommen, ihren Job mit ebenso vielen Leuten tauschen, die täglich Rottenburg verlassen, um woanders ihrer Arbeit nachzugehen, hätte die Stadt keine Berufseinpendler mehr und noch 7731 Berufsauspendler. Der Pendlersaldo zeigt das Dilemma des rein Statistischen. Ein Schuhmacher kann nicht mit einer Erzieherin tauschen, ein Elektromechaniker nicht mit einer Architektin.

Den stärksten Zuwachs hatte Rottenburg von 2009 bis 2016 bei den Einpendlern: annähernd 40 Prozent mehr. Die Zahl der Auspendler stieg um 16 Prozent. Weil im vergangenen Jahr 1776 Arbeitnehmer/innen mehr auspendelten als vor sieben Jahren, zugleich aber 1992 Leute mehr hier arbeiteten als vor sieben Jahren, ist auch darin ein Mini-Erfolg zu sehen: Es wurden 216 Beschäftigte mehr in der Stadt gebunden.

Ein paar Zahlen zu den Berufspendlern im bundesweiten Vergleich. Grafik: Uhland2

Ein paar Zahlen zu den Berufspendlern im bundesweiten Vergleich. Grafik: Uhland2

Ein paar Zahlen zu den Berufspendlern im bundesweiten Vergleich

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung ( BBSR ) in Bonn veröffentlichte Anfang April eine Analyse zu den Berufspendlerströmen. Trotz aller Bemühungen seit Jahren, die Zahl der Berufspendler zu verringern, geschah das Gegenteil: Der Anteil der Berufstätigen, die ihre Wohngemeinde auf dem Weg zur Arbeit verlassen (müssen), stieg in den 15 Jahren zwischen 2000 und 2015 von 53 auf 60 Prozent.

Zusätzlich nahm die durchschnittliche pro Fahrt zur Arbeit zurückgelegte (einfache) Strecke von 14,6 auf 16,8 Kilometer zu. Die Zahl der Fernpendler – sie legen mehr als 150 Kilometer einfache Strecke auf dem Weg zur Arbeit zurück – sieg im selben Zeitraum von 1 Million auf 1,3 Millionen.

Ein prägnantes Beispiel für Fernpendler ist das Bundesland Sachsen. Trotz ebenfalls steigender Zahlen an Einpendlern verlassen immer mehr Menschen Sachsen, um zur Arbeit in ein anderes Bundesland zu fahren: Nach einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ pendelten im Jahr 2016 knapp 137 000 Beschäftigte in andere Regionen, 2,2 Prozent mehr als 2015 und 16 Prozent mehr als 2005. Fast 12 000 Sachsen fahren zum Arbeiten nach Nordrhein-Westfalen, knapp 11 000 nach Baden-Württemberg.

Wie kommen die Berufspendler zur Arbeit? Nach Angaben des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2012 fuhren 70,2 Prozent mit dem Auto, 3,5 Prozent mit dem Bus, 3,7 Prozent mit U-Bahn oder Straßenbahn, 4,4 Prozent mit Bahn oder S-Bahn, 1,6 Prozent mit dem Kraftrad, 8,1 Prozent mit dem Fahrrad, 6.9 Prozent gingen zu Fuß (Sonstiges: 1,6 Prozent).

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Erstellt:
24.05.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 07sec
zuletzt aktualisiert: 24.05.2017, 01:00 Uhr

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