Meine glückliche Familie

Meine glückliche Familie

Drama aus Georgien um eine 52-jährige Frau, die ihre Familie verlässt, um endlich einmal durchatmen zu können.

15.06.2017

Von Klaus-Peter Eichele

Die Geschichte ist nicht neu, man kennt sie aus „Brot und Tulpen“ und etlichen Nachfolgefilmen. Eine nicht mehr ganz junge Ehefrau und Mutter verlässt Knall auf Fall ihre Familie, um endlich einmal durchatmen zu können beziehungsweise zu sich selbst zu finden.

Bei Manana, der Heldin dieses in Tiflis, Georgien, angesiedelten Films, ist an ihrem 52. Geburtstag das Maß voll. Am Abend des Festtags, den sie stoisch über sich ergehen lässt, erklärt sie ihren konsternierten Angehörigen: „Ich verlasse euch“ – und lässt der Ankündigung ungeachtet aller Proteste den Umzug in eine neue Wohnung folgen. Zwei Jahrzehnte lang hat Manana das lautstarke Chaos einer Drei-Generationen-Familie in beengten Wohnverhältnissen erduldet, als Prellbock für alle Probleme und Konflikte hergehalten, und nebenher noch als Lehrerin und Schulseelsorgerin ihre Frau gestanden – jetzt ist sie ausgebrannt und will einfach ihre Ruhe haben.

Doch so einfach ihr Ausbruch vonstatten geht, so schwierig ist es, die gewonnene Freiheit zu genießen. Zumal ihre Angehörigen Manana nicht kampflos ziehen lassen. Ständig kreuzen die (ohne Frauen ziemlich hilflosen) Mannsbilder der Familie ihren Weg, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Dazu gesellt sich das schlechte Gewissen, weil sie die familiären Entwicklungen, speziell die Heiratspläne ihrer Kinder, nur noch aus der Ferne mitbekommt. Kurzum: Mananas Emanzipation verläuft holpriger, damit aber auch glaubhafter, als man es von den meisten Filmen dieser Thematik gewohnt ist.

Zur Lebensnähe trägt auch bei, dass das georgisch-deutsche Regie-Duo Nana Ekvtimishvili und Simon Groß auf dramatische Zuspitzungen verzichtet. Vielmehr entwickeln die beiden die Geschichte konsequent aus dem Alltag ihrer Protagonistin – mit unspektakulären, aber aufschlussreichen Szenen aus der Schule, von einem Klassentreffen oder Begegnungen auf dem Markt.

Gefilmt mit ruhiger Handkamera, verdichten sich die Beobachtungen zur intensiven Nahaufnahme einer Frau, die ihr Leben zum ersten Mal in die eigenen Hände nimmt. Aber auch zum Schlaglicht auf eine Gesellschaft, die sich einen modernen Anstrich gibt, die hinter dieser Fassade aber noch sehr traditionell und patriarchal geprägt ist

Vom steinigen, aber lohnenden Weg einer Frau in die Freiheit erzählt dieser schöne und kluge georgische Film.